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Verkehrsforscher Knoflacher: “Im Auto hockt man wie ein Affe am Schleifstein”
(www.derstandard.de)
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Ich lebe in einem Randbezirk der Stadt in der ich arbeite. Nichtmal "auf dem Land". Nur mal zur Veranschaulichung meine drei häufigsten Wege:
zu Arbeitsort A in derselben Stadt. 10 km, 20 Minuten mit dem Auto, mit den Öffis 35 Minuten. (Fahrrad kommt hier für mich nicht in Frage, die Strecke zurück geht durchgehend bergauf. Ja, ich könnte vielleicht, wenn ich wirklich wollte. Ich will aber einfach nicht.)
zu Arbeitsort B in einer anderen Stadt, 60 km, 50-60 Minuten mit dem Auto, mit den Öffis laut google 2h 10m (und wenn ich da hin fahre, habe ich Ausrüstung im Kofferraum).
in meinen Heimatort, Freunde oder Familie besuchen. 30 km, mit dem Auto 35-45 Minuten, mit den Öffis 2h.
Auf die drei Strecken entfallen sicher drei viertel oder mehr meiner regelmäßigen Wege. Einkäufe und Arztbesuche erledige ich auf dem Rückweg von der Arbeit.
In einem Stau, der z.B. die zwei Stunden mit den Öffis zu meinen Eltern knackt, bin ich in den 5 Jahren seit dem Umzug ein einziges Mal gewesen, das war Freitag zu Ferienbeginn mitten im Feierabendverkehr.
Dass man mit dem Auto länger braucht, stimmt vielleicht innerhalb des gleichen Großstadtzentrums, aber sobald man das verlässt, war es das.
Schade, dass es bei dir so ist. Ich lebe auch in einem Randbezirk einer Stadt und bin mit Rad deutlich schneller, mit der Bahn mindestens gleich schnell. Das ist ein Privileg was ich sehr genieße. Anbindung an den ÖPNV und der Ausbau des ÖPNV-Netzes sind die zentralen Faktoren und müssen besser werden.
Darum erwähne ich es ja. Ich würde es super finden, kein Auto zu brauchen, das ist aber nicht die Realität. Und solche höhnischen Kommentare a la "haha, die glauben doch tatsächlich, Autos würden Zeit sparen" gehen mir da ganz gewaltig auf den Wecker.
Die Verkehrswende werden wir nicht durch gaslighting erreichen. Schritt eins wäre erstmal, den aktuellen Zustand anzuerkennen.
Edit: sehr lobenswert!
Der ÖPNV ist halt stark auf die Masse optimiert und das macht auch absolut Sinn. Du legst die Buslinie halt dahin, wo viele Leute unterwegs sind und die S-Bahn baust du auch nicht von Kuhkaff A nach Kuhkaff B, sondern logischerweise irgendwie von den großen Wohnvierteln und Umlandgemeinden in die Innenstadt oder dahin, wo viele Leute arbeiten.
Das führt aber automatisch zu einer Schieflage in der Debatte: Es gibt Leute wie dich, deren Wege eben nicht auf den Standardwegen liegen. Für die funktioniert der ÖPNV eher schlecht. Dann gibt es aber auch noch zig Leute (im Zweifelsfall eine Mehrheit), für die der ÖPNV funktionieren würde, die aber aus diversen Gründen lieber Auto fahren.
Und dann wird fleißig aneinander vorbei geredet und am Ende sind alle irgendwie etwas angepisst. Im Kern gilt das auch für die gesamte Verkehrs- und Steuerungspolitik: Da wird halt nicht differenziert, du kriegst deine Pendlerpauschale egal, ob du mit dem Auto oder dem Rad fährst und egal, ob du einen ÖPNV zur Verfügung hast oder nicht. Die Politik hat nur den Preis als Werkzeug zur Verfügung und damit kriegst du kein System gebaut, in dem in Deutschland lebende Thailänder ihre Familie besuchen können, aber Dieter nicht 3x im Jahr nach Pattaya fliegt, weil er günstig ficken will.
Das ist ja der Witz. Ich arbeite beim größten Arbeitgeber am Ort. Der erste Bus fährt vor meiner Haustür ab, ich steige am zentralen Busbahnhof einmal um und dann hält der zweite Bus quasi vor dem Werkstor. Schneller ginge es nur noch, wenn der Umstieg wegfallen würde.
Das wäre aber nicht mal so schlimm, würde ich mir wahrscheinlich noch gefallen lassen. Die anderen zwei Strecken schlagen viel mehr ins Kontor. Das ist keine Frage von "ist halt nicht die Standardstrecke" sondern von "sobald du die Gemeinde verlassen musst, bist du verloren".
Es ist nicht hilfreich das immer als Einzelfall abzutun. Von 7 Kollegen in meinem Team pendeln 5 aus der einer der Nachbarstädte, die hätten überhaupt keine Chance mit dem ÖPNV. Wer hat keine Freunde oder Eltern in einer anderen Gemeinde? Ist nicht in einem Sportverein eine Stadt weiter? Hat keine Partnerin, deren Job nicht in der gleichen Stadt ist wie der eigene? Man zieht doch mal um und will nicht alle Brücken und Verbindungen abbrechen, oder wechselt den Job und will nicht gleich umziehen. Die Menschen, die nie aus ihrer Stadt raus müssen, und diese Probleme darum nicht haben, sind nicht die Norm und nicht die Mehrheit, davon bin ich überzeugt.
Diese Großkotzigkeit (deinen Beitrag meine ich nicht), von der eigenen Situation auf Andere zu schließen, und denen vorzuwerfen, sie bräuchten ja eigentlich auch alle kein Auto und seien nur doof und hätten "car brain", vergiftet die Debatte. Das verhindert, dass man sich kollektiv anstrengt, die Situation da hin zu verbessern, dass eben mehr Menschen das Auto wirklich nicht mehr brauchen.